Freitage zögern nicht

Artikel veröffentlicht in TORWORT-Senf am 19.04.2017
Erstellt von TORWORT - Die Fußball-Lesung

Freitage zögern nicht

Die Kneipe hieß „Die Kiste“ und ich bin nicht ganz sicher, ob es sie immer noch gibt in Aachen. Es war eine dieser Kneipen, die einem auf eine ganz seltsame Art und Weise gefallen, gerade weil es in ihnen eigentlich gar nichts gibt, was einem gefallen könnte. Seinerzeit saßen wir dort auf harten und leicht unbequemen Barhockern, tranken eine Menge und der Wirt warf eine CD in seine viel zu alte Anlage von der aus Axl Rose, David Bowie oder Kurt Cobain für uns spielten. Wir sprachen und lachten darüber, was wir gerade im Nieselregen des Tivoli unten auf dem Rasen gesehen hatten. Hätte Lämmermann den Ball nicht versenken, hätte Heeren den Zweikampf nicht gewinnen und hätte Mario Krohm nicht auf jeden Fall ein bisschen früher ins Spiel kommen können. Freitag Abende nach Alemannia waren fast so groß wie Freitag Abende während und vor Alemannia. Du beginnst Deinen Abend mit Flutlicht, Wurst und Blutgrätschen und setzt ihm die (Schaum)Krone mit Bier und „Paradise City“ auf. Good old times of Rock n Roll. 

Es klang ein bisschen beiläufig als die DFL in den letzten Tagen den neuen Spielplan der Bundesliga verkündete. Um noch ein bisschen mehr für die Rechte-Spardose zu sammeln, wird demnach ab der nächsten Saison auch Montags gespielt. Zunächst „nur“ fünf Mal pro Saison. Und natürlich geht´s auch weiterhin Sonntag und Samstagabends um die Bundesliga-Wurst, mal kurz nach mittags, mal abends um sechs 18: Uhr oder eben montags um halb neun. Na Dankeschön – braucht eigentlich kein Mensch! Denn mal ehrlich: Selbst wenn Du den Sport heiß und innig liebst, zappst Du an einem Montagabend doch eher locker flockig über ein Spitzenspiel der Zweiten Liga hinweg, wenn Du schon seit dem Dienstag davor mit sämtlichen Spielen beballert wurdest.

„I don´t care if Monday blue, Tuesday´s grey and Wednesday too, Thursday I don´t care about you – it´s Friday I am in love.“ Besser als einst „The Cure“ kann man es eigentlich nicht sagen. Denn in diesem ganzen Fußball-Overload ist es eigentlich nur der Freitag, der immer noch lässig herausragt – gerade wenn Du in der Regel keine Bundesliga, sondern Alemannia schaust. Klar – als Fan eines Bundesliga-Vereins ist Dir der Samstagnachmittag wahrscheinlich heilig, nicht aber, wenn Du unterklassig unterwegs bist. Da gibt es schlicht nichts Besseres als den Freitagabend. Du genießt den kurzen Augenblick der Freiheit des kleinen Mannes: Wochenende. Und die Aussicht auf die beiden freien Tage mutet an einem Freitagabend nahezu unendlich an, ein bisschen so als würde der Montag mitsamt seinen Greuter Fürths und Sandhausens nie kommen. Du drehst den Swag auf, schraubst ein erstes Bier und machst Dich auf ins Stadion, dessen Flutlicht Dir schon aus der Ferne signalisiert: Heute geht was! Und das heute etwas geht, das weißt Du spätestens dann, wenn ein Schluck abgestandenes Bier aus einem Plastikbecher besser schmeckt als alles, was Du während der Woche gegessen, getrunken oder eingeatmet hast. Du siehst die Schatten der Spieler, die sich warm machen für das Spiel, das Deinen Freitagabend einläutet. Du hörst die Pfeife des Schiedsrichters, die Gesänge von der Tribüne und wenn es gut läuft den Jubel nach dem entscheidenden Treffer, den Du mit der in die beginnende Nacht gereckten Faust abfeierst, weil Du weißt: Du lebst den Augenblick!

An diesem Freitagabend empfängt Alemannia den SC Verl. Die Saison ist sportlich gelaufen, der Club steckt mal wieder in der Krise und von vollen Rängen wird wohl eher nicht die Rede sein. Und doch ist es ein Freitagabend und wie sang „The Cure“ einst noch „Friday never hesitate!“. Freitage zögern nicht! Ob es „Die Kiste“ noch gibt? Ich weiß es nicht. 

Diese Kolumne erschien im Tivoli Echo zu einem Heimspiel gegen den Sc Verl im April 2017.

Sascha Theisen

STAMMPLATZ-Gründer und Fußball-Romantiker