Rückblick Februar 2020: Ein Mann, eine Kneipe

Artikel veröffentlicht in TORWORT-Lesungen am 14.02.2020
Erstellt von TORWORT - Die Fußball-Lesung

Rückblick Februar 2020: Ein Mann, eine Kneipe

Letzte Woche war ich in meiner Stammkneipe – eine von der Sorte, in die man einziehen möchte. Ein völlig durchgeknallter Wirt bei dem dem Vernehmen nach Emotion und Räson gefährlich nah beieinander liegen, ein Zapfhahn, der nicht aufhört zu sprudeln und Gäste, die aus genau diesem so lange Bier trinken, bis es ihnen zu den Ohren rauskommt – kurz: ein Ort wie man ihn selten findet – eine echte Gnade, dass es ihn gibt. Am vergangenen Freitag feierten wie gleich zwei Geburtstage in der Bar des Vertrauens – den 50. des Wirts und den 15. der Kneipe selbst. Keine Frage, dass es da knallen musste, weswegen wir einen TORWORT-Abend der Extraklasse feierten.

Peter Stöger bei TORWORT im Februar 2020

Das Ganze fand zeitgleich mit Alemannias Auswärtsspiel in Homberg statt. Trotzdem hatten sich einige Zuhörer in Alemannia-Trikots in die Bar verlaufen, was mich sehr freute, zumal sie ziemlich kompromisslos einen Live-Ticker einforderten, den ich von der Bühne aus in den Raum rufen sollte. Ich hielt mich zwar nur sehr begrenzt daran, was aber auch daran lag, dass der wirkliche Live-Ticker auf der Alemannia-Seite in erster Linie Ecken von Florian Rüther verkündete, die am Ende aber nichts einbrachten. Als der unglückliche Eckenschütze allerdings später einnetzte waren es genau die Jungs in ihren schwarz-gelben Trikots, die von hinten in den Raum riefen, dass Alemannia auf die Siegerstraße eingebogen sei. So weit so Alemannia. Denn natürlich sind die denkwürdigsten Abende vor allem dann denkwürdig, wenn Alemannia sie auch noch mit einem Auswärtssieg garniert.

An diesem Abend war TORWORT aber vor allem deswegen denkwürdig, weil die Fans eines Vereins auf einen ehemaligen Trainer trafen, der ihnen besonders viel bedeutet. Vorab muss man wissen, dass meine Kneipe im Herzen Kölns liegt. Ich kann nicht sagen, dass ihr FC jemals den Weg in mein Herz oder nur in die Nähe dessen geschafft hätte. Um ehrlich zu sein nervt mich vor allem der Folklore-Ansatz im Stadion, auf den Rängen und überall sonst, wo der Geißbock aufkreuzt, weil ich noch nie verstanden habe, was Karneval am Ende mit Fußball zu tun hat. Aber: Nicht zuletzt, weil meine Mutter einst entrüstet mit den Tränen kämpfte, als Thomas Häßler verkauft wurde und bisweilen beim Putzen die Hymne der Höhner mitsingt, lässt mich Ihre Leidenschaft am Ende auch nicht kalt. Denn sie haben Trainer wie Stale Solbakken oder Uwe Rapolder überlebt. Fast wöchentlich wird vor ihren Augen irgendwo ein Brauhaus, eine Eisdiele oder ein Nagelstudio von Lukas Podolski eröffnet, und trotzdem glaubten sie auch dann noch an ihren Verein als sie in Sandhausen oder Regensburg verloren. Und das muss man alles ja erst mal machen – wer wüsste das besser als wir?

Am letzten Freitag trafen aber genau diese Fans auf ihren Trainer, auf Peter Stöger. Der hatte sie direkt von Sandhausen aus in den Europapokal trainiert und war dann übel abserviert worden. Die Zeitungen hatten ihn damals verabschiedet, viele von denen, die ihn am Freitag trafen, fehlte allerdings die Gelegenheit. Und so feierten sie unseren Überraschungsgast, unser Geburtstagsgeschenk für den Wirt mit stehenden Ovationen und nicht enden wollenden Sprechchören. Er hatte lange gezögert, unsere Einladung anzunehmen, aber als er es dann tat wurde aus der versprochenen Stunde, die er eigentlich bleiben wollte, ein zweieinhalb-stündiger Besuch. Es war wie der Abschluss einer langen Liebesgeschichte, in der sich ein Paar nach Jahren wieder trifft und noch ein Mal, ein letztes Mal eine phantastische Liebesnacht erlebt. Großartig! Zu was Fußball fähig ist, zeigte dieser Abend in ganz besonderem Maße. Ein Trainer, der leidenschaftlichen Fans wieder Hoffnung und ein paar wilde Träume gegeben hatte, wurde mit ein bisschen zu viel Abstand dafür gefeiert wie der Held, der er ja auch ist. Großes Kino.

Der unvergleichliche Peter Stöger auf der TORWORT-Bühne

In diesen Tagen, in denen das Spiel der Zweiten des 1. FC Köln bei Alemannia irgendwie passend zu dem Ganzen erst einmal ausfällt und Alemannia mit einem frisch gebackenen Sportdirektor einen neuen Trainer sucht, wünsche ich mir nichts mehr als einen ähnlichen Peter-Stöger-Griff – einen Mann, der inspiriert, der aufbricht, der Träume entfacht. Und der in ein paar Jahren – wenn er vielleicht schon lange wieder weitergezogen ist – immer noch etwas auslöst bei denen, die Alemannia lieben. Einen Mann vielleicht, der ein bisschen so ist wie meine Stammkneipe. Wäre eine Gnade, wenn es ihn gäbe. 

Zum Schluss, der verdiente Applaus für Peter Stöger und seine Gastgeber.
Friends forever – der dicke Wirt und „sein“ Trainer

Sascha Theisen

STAMMPLATZ-Gründer und Fußball-Romantiker