Das Gesetz der Serie

Die Alemannia-Kolumne

Artikel veröffentlicht in TORWORT-Senf am 22.09.2022
Erstellt von TORWORT - Die Fußball-Lesung

Das Gesetz der Serie

Es gibt Serien, die laufen so flüssig wie ein Länderspiel. Siegesserien zum Beispiel sind süß wie Honig und lassen Dich beschwingt durchs Leben ziehen. Andere Serien – von führenden TV-Experten „Sieglos-Serien“ getauft, sind das genaue Gegenteil von Honig und wer sie erleiden muss, würde sie am liebsten der Klospülung übergeben. Das allerdings ist gar nicht so einfach, denn sie sind zäh wie Himbeergelee – gerade dann, wenn Länderspielpausen anstehen. Während derzeit sogar in München Negativserien ausbrechen, wo sie doch eigentlich Siegesserien gewohnt sind, wurde man hier in Aachen beinahe schon nervös, weil sich eine „Seit-fünf-Spielen-ungeschlagen-Serie“ in eine „Drei-Siege-in-Folge-Serie“ verwandelte, die rund um den Tivoli zarte Träume von Aufstiegsserien auslöste. Wer Alemannia allerdings etwas besser kennt, konnte ahnen, dass solche Träume und erst recht solche Serien meist an eher deprimierenden Orten unbarmherzig enden – Bocholt schien wie erbaut dafür und tat letztlich, was es tun musste. Das Gesetz der Serie ist so steinalt wie gnadenlos und es besagt, dass letztlich jede Serie irgendwann bricht.

Serien haben grundsätzlich an Bedeutung gewonnen seit Streamingdienste die Siegesserie des linearen Fernsehens beendet haben und ihrerseits Serien ins Rennen schicken, die das gleiche Straßenfeger-Potential besitzen wie die umwerfende Jody aus „Ein Colt für alle Fälle“. Mal ehrlich: Der Vorspann dieser Serie hat die Männer meiner Generation genauso nachhaltig geprägt wie Andy Brehmes Elfmeter im Sommer 1990. Solche Serien wünscht man sich – solche und eben solche, die Alemannia ab und an startet. Drei Siege in Folge, das erinnerte stark an die großen schwarz-gelben Serien der Vergangenheit. Unvergessen zum Beispiel die Siegesserie, die 1999 den Weg zurück in die 2. Bundesliga ebnete. Gestartet vor wenigen, fortgesetzt mit Last-Minute-Toren vor zunehmend volleren Rängen und abgeschlossen mit Umarmungen von ganzen Kurven in Orten wie Erkenschwick, die damals einfach nicht in der Lage waren Alemannia-Serien zu stoppen. Knapp sieben Jahre später konnte Alemannias Siegesserie zum Bundesligaaufstieg nur gestoppt werden, weil Alemannia vorzeitig aufstieg und bis in die frühen Morgenstunden feierte. Selten ging eine Serie schöner zu Ende als auf dem Tivoli als der VfL Bochum sich nicht lumpen ließ und gleich noch mit nach oben ging. 

Ich selbst hatte nur selten mal eine Serie. Einmal hatte ich eine bis heute unerklärliche, als ich für den Ort, den alle Stockheim nannten, in drei aufeinanderfolgenden Spielen traf, ganz so als wäre das völlig selbstverständlich. Im ersten tauchte ich allein vor dem Torwart auf und traf ziemlich abgezockt durch gekonnten Einsatz meines Innenrists. Das zweite Tor in Serie fiel durch einen bis heute unwirklich anmutenden Fernschuss von der Strafraumkante und das letzte bugsierte ich mittels einer unprätentiösen Grätsche im gegnerischen Fünfer über die Linie. Es waren damals drei Heimspiele in Folge und schon im ersten Auswärtsspiel danach stellte ich die Serie wieder ein, weshalb sie schnell vergessen wurde in und um Stockheim. Bis heute warte ich auf die nächste Serie, auch wenn mir schwant, dass zumindest fußballerisch wohl keine mehr folgen wird. Das allerdings muss für Alemannia nichts bedeuten. Denn das Gesetz der Serie besagt zweifelsfrei, dass nach der Serie vor der Serie ist. Denn, auch wenn das Ding in Bocholt so gar nicht Jody-like war, so hat es doch ein Gutes: Die nächste Serie muss im Grunde nur gestartet werden. Allerdings sollte es eine Siegesserie sein, denn genau wie damals als ich selbst die einzige Serie meines Fußballerlebens erlebte, stehen nun drei Heimspiele in Folge auf dem Spielplan. Das kann kein Zufall sein. 

Und während sie in München bewaffnet mit Maßkrügen und begleitet vom geifernden Boulevard in einer Länderspielpause verharren müssen, gastiert in Aachen der Tabellenführer. Gibt es einen besseren Zeitpunkt, eine Serie zu starten? Eine Serie, die so süß wie Honig schmeckt, eine, die man locker in den Vorspann von „Ein Colt für alle Fälle“ unterbringen könnte und eine, die erst wieder bricht, wenn man das Gesetz der Serie längst vergessen hat. Ich jedenfalls hätte nichts dagegen.

Diese Kolumne erschien anläßlich des Heimspiels der großen Alemannia aus Aachen gegen Preußen Münster im Herbst 2022.

Sascha Theisen

STAMMPLATZ-Gründer und Fußball-Romantiker