Charme de Luxe
Als der TORWORT-Gast, dessen Namen ich besser mal nicht nenne, die Hammond Bar betrat, schaute er leicht angewidert in die Runde. Auch der sonst so unwiderstehliche Charme eines Peter Schmitz schien seine Laune nicht aufzuheitern. Eigentlich verfiel ausnahmslos jeder diesem Charme, weil er echt und nicht aufgesetzt war – „real“ würde man heute sagen. Ein gemeinsamer Arbeitskollege erzählte mir einmal, dass „ein Peter Schmitz“, der oft wegen „einem Lothar Matthäus“ so genannt wurde, während einer gemeinsamen Autofahrt auf freier Strecke für einen Grashüpfer anhielt und erst weiterfuhr als dieser die Straße passiert hatte. Das überraschte mich nicht damals. Klar, dass einer wie er, echten Charme besaß. Ein Peter Schmitz war Charme de Luxe. Verstellen konnten sich die anderen. Nicht er. Musste er nicht. Tat er dann doch am Ende, was aber nicht seine Schuld war.
Der Gast, der gerade das erste Mal die Hammond Bar betrat, war also weder vom Charme eines Peter Schmitz beeindruckt, noch von dem der Bar, deren Charme ein anderer war als der eines Peter Schmitz. Hätte die Bar in diesem Auto gesessen, sie hätte den Grashüpfer überfahren. Doch das ist eine andere Geschichte. „Hier wird ja ganz schön getrunken“, stellte der Gast fest, ohne zu wissen, dass genau das ein ganz wesentliches Merkmal der Bar war. Selbst nach seinem Getränkewunsch gefragt, reagierte er genervt, musterte die Szenerie und bestellte eine Coca Cola Light. Ein Peter Schmitz und ich zuckten ängstlich, als wir ihm beichteten, dass es nur Afri-Cola gab. „Dann trinke ich eben gar nichts!“.
Durstig fragte er also in die Runde, ob es wirklich eine gute Idee sei, HIER aufzutreten. Dafür sei die Lage – welche auch immer er meinte – schließlich viel zu ernst. Die Situation, so viel war klar, konnte unbedingt als angespannt gelten. Also spielte ein Peter Schmitz erneut seinen Charme aus und verwickelte den genervten Gast in ein harmloses Arbeitsgespräch. Wo er die vereinbarte FIFA-Präsentation denn habe und ob wir sie schon mal auf den Rechner spielen sollten. Ich weiß noch, wie ich so bei mir dachte: „Auf einen Peter Schmitz ist Verlass. Eine Charme-Offensive im richtigen Augenblick. Ein Hoch auf einen Peter Schmitz.“ Ein weiteres Mal war ich froh, ihn an meiner Seite zu wissen, egal wann, egal wo. Das Leben ist so viel einfacher mit einem Peter Schmitz an Deiner Seite. Und so viel schwerer ohne ihn.
„Hab keine gemacht!“. Der Gast schien Nihilist zu sein. Eine Präsentation? Fehlanzeige. Und gerade als sich die Gesichtsfarbe eines Peter Schmitz von bordeauxrot zu dunkelrot änderte, legte er auch schon nach: „Ich glaube, das ist hier keine Umgebung für mich!“. Das Ergebnis: Stille Panik! Ein Blick zu einem Peter Schmitz und ohne ein Wort zu sagen, wussten wir, was der andere denkt. „Wenn er jetzt geht, reißt uns die Hammond-Bar-Meute in Stücke und ertränkt uns in Zitrusschnaps.“ Zu unserem Glück schien der Charme eines Peter Schmitz genau jetzt, wo wir ihn am nötigsten hatten, zu wirken. Denn der Gast erklärte sich gereizt, aber einlenkend bereit, eine Präsentation während TORWORT-Halbzeit-Eins im Hinterzimmer der Hammond Bar zu erstellen, was dieses so sicher auch noch nicht gesehen hatte, allerdings ganz alleine, schlechtgelaunt und ohne Coca Cola Light.
Wir vergaßen ihn kurz dort hinten und spulten ein formidables TORWORT-Programm ohne ihn ab, das vor allem vom Wortwitz und dem Esprit eines Peter Schmitz lebte. Doch nicht lange und unser Gast holte uns wieder ein. Gerade als wir uns selbst am besten gefielen, tauchte er aus dem Hinterzimmer auf und informierte uns, dass er nun doch nichts mehr gemacht hätte. Er hätte stattdessen gearbeitet. Die Situation war brenzlig: Der Gast mochte die Kneipe nicht. Wir mochten zunehmend den Gast nicht. Der Gast hatte nichts vorbereitet. Und es gab gerade mal Afri Cola.
Er würde ein paar Fotos zeigen, sagte er. Immerhin. Aber eins, so sagte er, müsse jedem klar sein: „Hinter diesen Tisch, da würde er sich sicher nicht hinsetzen!“. Spätestens jetzt fing auch ein Peter Schmitz an zu schwitzen, wusste er doch, dafür müsste er die komplett mit Gaffa-Tape verklebte Technik lösen – eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Ich trank also schnell ein Kölsch. Der Gast allerdings setzte nach: „Ich präsentiere hier außerdem nur im Stehen oder gar nicht.“. Nun verlor auch ein Peter Schmitz die Kontrolle. Mehr Hals über Kopf als sorgfältig riss er die Gaffas von Wand, Boden und Tisch. Ein Peter Schmitz war gastfreundlich, so gastfreundlich wie man nur sein kann. Also handelte er jetzt. Nach einem Akt der rohen Gewalt, der wie ein Affront gegen alle Gaffa-Bänder der Welt wirkte, war die komplette Sitzordnung am TORWORT-Tisch auf den Kopf gestellt. Immerhin: Der Rechner stand vor dem Gast, der nun endlich, wie eingefordert, im Stehen präsentieren konnte.
Zum allgemeinen Entsetzen SETZTE er sich hin. Entgeisterte Blicke – ein Peter Schmitz sprachlos, ich sprachlos, der Gast sichtlich gelangweilt. Er klappte den Rechner zu, legte die Arme vor sich ab und schaute den kompletten Restabend nur noch auf den Tisch. Was folgte, war ein denkwürdiger Auftritt, in dem er die Aura eines deprimierten Fußball-Enthüllers bemühte, dabei stoisch auf den Tisch starrte und sämtliche Hinweise eines Peter Schmitz auf seine vorliegende und zum Präsentieren bereite Präsentation, die aus insgesamt drei Bildern bestand, ignorierte. Mürrisch beantwortete er Fragen aus dem Publikum und bis heute ist mir nicht klar, wie wir diesen Abend über die Bühne brachten. Irgendwie gelang es, wie so vieles gelang, was wir in dieser Bar versuchten und es bis heute in seinem Sinne tun.
Leider gelang uns nicht alles, was mir nicht nur dieser Tag, dieser aber eben besonders immer wieder schmerzhaft klar macht. Seit sieben Jahren haben wir diesen unwiderstehlichen Charme eines Peter Schmitz verloren, der so „real“ war – echt und nicht aufgesetzt. Das Leben war so viel einfacher mit einem Peter Schmitz an der Seite. Und ist so viel schwieriger ohne ihn. Ein Hoch auf einen Peter Schmitz.
Dieser Text ist dem wunderbaren Peter Schmitz gewidmet, der mitsamt seinem Humor, seinem Charme und seiner Liebenswürdigkeit seit nunmehr sieben Jahren allen fehlt, die ihn erleben durften.