Der Transfermarkt ist eröffnet

Artikel veröffentlicht in TORWORT-Senf am 08.04.2023
Erstellt von TORWORT - Die Fußball-Lesung

Der Transfermarkt ist eröffnet

Die Stationen meiner aktiven Fußballer-Laufbahn sind nichts, womit man angeben könnte. Immerhin spielte ich mal für eine Alemannia – leider nicht für die meines Herzens, sondern für Alemannia Straß, eine fußballerische Perle der Voreifel. Nach einigen bedauernswerten Jahren dort wechselte ich irgendwann in den Neunzigern, in denen Straß vor sich hin schlief, zum nächsten, ebenfalls schlafenden Riesen, dem TSV Stockheim 09. Während sich also meine damalige Freundin in Eddie Vedder verliebte, stand ich in Verhandlungen mit Stockheims Zweiter, die sich sehr um mich bemühte, was aber mehr an meiner bemerkenswerten Ausdauer und überragenden Technik an der Theke lag als an eventueller fußballerischer Qualität, die ich auf dem Aschenplatz in Stockheim hätte einbringen können. Wie auch immer: Im Grunde ist meine persönliche Transfergeschichte mit diesen wenigen Sätzen auch schon erzählt. Es floss nie ein Pfennig Ablöse für mich und eine Rückkehr zu Alemannia, also der aus Straß, stand auch nie wirklich im Raum, was auch wirklich albern gewesen wäre, dieser Kolumne aber eine unerwartete Wende gegeben hätte. Zum Schluss beendete ich meine Karriere ziemlich unvollkommen aufgrund meines lädierten Knies, das eher für Tischtennis als für Fußball gemacht war. Hätte ich das Spiel gespielt, wie ich es geliebt hatte, wer weiß, vielleicht hätte ich zur Legende getaugt – aber so. 

Als ich in der letzten Woche virtuell täglich von einer Transfermeldung begrüßt wurde, die mir wieder und wieder eine Rückkehr eines ehemaligen Alemannen verkündete, war ich ziemlich entzückt, weil diese Meldungen so ganz anders waren, als ich das von mir oder von anderen Vereinen bisher kannte. Bring die Jungs von früher wieder zusammen. Genau diesen Angang predige ich nun schon seit Jahren an den Theken dieser Fußballwelt. Nur ein bisschen mehr Identifikation, ein bisschen mehr Verbundenheit, ein bisschen mehr Loyalität in die Transferpolitik und schon läuft die Sache wie ein Länderspiel. Ein denkbar einfaches Rezept ist das eigentlich, das aber irgendwie nirgends wirklich praktiziert wird, nicht mal in der Voreifel. Und jetzt geht ausgerechnet Alemannia diesen in jeder Hinsicht vielversprechenden Weg, holt fast nur Spieler aus der Region, die das gelbe oder schwarze Trikot schon einmal getragen haben, sei es in der Jugend oder später. Ich bin ehrlich: Da geht mir einer ab! Sollen die anderen in den anderen Sphären doch versinken in ihrem Protz und weiter ihre 50 bis 60 Millionen auf den Tisch legen, nur um den Trainer zu wechseln. Pffft, wir machen es anders, sind der Gegenentwurf – klar, notgedrungen sind wir das. Na und? Notgedrungen war die Sache mit meinem Knie auch und trotzdem das Beste, was dem Fußballstandort Stockheim passieren konnte.

Denn was zählt sind am Ende die unbestechlichen Fakten. Und am Tivoli heißen die Winter, Müller, Strujic und Afamefuna. Und die klingen doch gar nicht mal schlecht, vor allem in einer Phase, in der man als Alemanne definitiv mehr von der Zukunft zehrt als von der Gegenwart. Obwohl, wann war das noch mal anders? Egal. Für solche Gedanken habe ich jetzt keine Zeit. Ich muss in die Recherche einsteigen, alte Kader studieren, Verfügbarkeiten checken, Vertragslaufzeiten justieren. Denn wer wäre man, wenn man nicht gleich mal das Internet nach ehemaligen Spielern abgrasen würde, die zurück an den Tivoli gehören wie der viel zitierte Arsch auf den berühmten Eimer? Und was man da nicht alles so erfährt: richtig geilen Scheiß! Zum Beispiel, dass Marco Högers Vertrag in Mannheim im Sommer ausläuft, während Rafael Garcia bei den Kickers aus Offenbach noch bis 2024 gebunden ist. Tobias Feisthammel dagegen hat mittlerweile schon stattliche 35 Jahre auf seinem Verteidiger-Buckel und dürfte sich längst in diesem Verein namens SV Breuningsweiler ganz gut aufgehoben fühlen, was jedenfalls erklären würde, dass er dort nun schon seit drei Jahren kickt. Kevin Kratz hat die Schuhe an den Nagel gehangen, im Gegensatz zu Marcus Hoffmann, dessen Arbeitspapier wie das von Höger, in drei Monaten endet und der im gleichen Alter wie Feisthammel ist, aber nicht mal einen Berater hat. Good old Dario Schumacher ist im besten Fußballalter, was dem 1. FC Bocholt momentan, aber auch nicht wirklich weiterhilft. Sascha Marquet? Steht ja eh schon in den einschlägigen Notizbüchern. Tobi Mohr und Nazim Sangare sind leider in anderen Sphären unterwegs und Marco Neppe tapeziert sein Büro mittlerweile an der Säbener Straße in München anstatt an der Krefelder in Aachen. Machste nix. 

Kann richtig Spaß machen, so eine Reise durch die Vergangenheit. Man kommt auf die geilsten Ideen. Thorsten Frings als Trainer für die C-Jugend – „derzeit vereinslos“ sagt transfermarkt.de und die müssen es wissen. Vielleicht schnürt „der Lutscher“ ja auch noch mal selbst die Schuhe? Dann würde ich es mir doch glatt auch noch mal überlegen. Denn mal ganz nebenbei: Ich wäre ziemlich ablösefrei gerade. Ich sag´s nur, weil da weiß nicht mal transfermarkt.de was von. Aber vielleicht ist Frings dann doch die bessere Wahl. Oder Höger. Oder Garcia. Oder Hoffmann. Und wie sie alle heißen – all die geilen Gegenentwürfe. 

Diese Kolumne erschien anläßlich des Heimspiels der wunderbaren Alemannia aus Aachen gegen den SV Straelen im April 2023.

Sascha Theisen

STAMMPLATZ-Gründer und Fußball-Romantiker