Ein bisschen Heller, ein bisschen Hoffnung

Die Alemannia-Kolumne

Artikel veröffentlicht in TORWORT-Senf am 10.12.2021
Erstellt von TORWORT - Die Fußball-Lesung

Ein bisschen Heller, ein bisschen Hoffnung

In der nächsten Woche gebe ich mein Comeback – auf dem Rasen. Was für meine Knochen, Bänder und Gliedmaßen eine Hiobsbotschaft ist, ist für den Kicker in mir, der vor meinem geistigen Auge immer besser dastand als vor der Wirklichkeit, ein echtes Husarenstück. Gut – es sind die Alten Herren und das ist nichts womit man jetzt groß prahlen könnte, aber es ist ein Comeback und das sollte man in meinem Alter dann auch nicht kleinreden. 

Vorausgegangen ist dem Ganzen ein Transfer, der aber leicht und ohne jede Ablösesumme über die Bühne ging. Denn während in der Geschäftsstelle des TSV Stockheim 09 mein alter Spielerpass in einem alten Aktenschrank zerfiel wie eine alte Levis-Jeans, stellte der Obmann der alten Herren meines neuen Vereins, dessen Name erst mal nichts zur Sache tut, den Antrag mich doch bitte ab- und freizugeben. Es fielen all die Begriffe, die einen echten Transfercoup so ausmachen: abgebender Verein, sofortige Spielberechtigung, aufnehmender Verein, Transferliste, ohne Entschädigung, Ihr Spieler, unser Spieler. Keine Frage – große Transfers erfordern die volle Breitseite und wenn ich die Reaktion meiner Frau richtig gedeutet habe, war das hier ein ganz ganz großer Transfer. 

Nun wurde mein Kunstrasen-Comeback aufgrund schlechten Wetters und pandemischer Bedenken schon zwei Mal abgesagt, in der nächsten Woche soll es aber nun aber endlich so weit sein. Die Vorbereitungen laufen jedenfalls schon mal auf Hochtouren: Kniebeugen, Katzenbuckel, Mobilat-Bäder – das volle Programm. Gespielt wird im Sieben gegen Sieben und auf Kleinfeld, was allerdings in Anbetracht meiner Kondition ruhig noch eine Ecke kleiner sein könnte. Das Ziel ist klar umrissen: ein Törchen und gesund aus der Sache wieder rauskommen. Wahrscheinlich unerreichbar, aber eben einen Versuch wert.

Es kann kein Zufall sein, dass mich genau in solchen Zeiten eine Nachricht aus dem Entmüdungsbecken spülte, die ein ähnliches sensationelles Comeback wie meines in Aussicht stellte. Was mich so elektrisierte, stand in schwarz auf weiß auf der Alemannia-Website. Marcel Heller trainiert am Tivoli mit – offiziell, um sich fit zu halten. Aber mal ehrlich: Wer träumt bei solchen Botschaften in der Situation, in der sich Alemannia gerade befindet, nicht davon, dass ein ganz klein bisschen mehr dahintersteckt? Ein Transfercoup zum Beispiel, der sogar Spielerwechsel bei den Alten Herren in den Schatten stellt. Oder anders gesagt: abgebender Verein, sofortige Spielberechtigung, aufnehmender Verein, Transferliste, ohne Entschädigung, Ihr Spieler, unser Spieler. Ihr kennt das. 

Natürlich ist es nicht lange her und man sollte es auch nicht verschweigen, dass mich dieser Marcel Heller vor rund acht Jahren Samstag für Samstag in den Wahnsinn trieb, als er nämlich unnachahmlich und in einer Geschwindigkeit, die vor und nach David Odonkor niemand sonst am Tivoli je erreichte, schnurstracks in Seitenaus lief. Auch seine präzisen Flanken hinter das gegnerische Tor waren nie so meins, auch wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass ich selbst in der nächsten Woche fünf bis zwölf davon bei meinem eigenen Comeback genauso treten werde. Alles verjährt – all diese hellerschen Schwurbeleien spielen heute keine Rolle mehr. Denn der gute Heller lud erst so richtig durch, als er den Tivoli verließ und zwar so dermaßen, dass er plötzlich sogar zart an die Tür der Nationalmannschaft klopfte. Mehr als einmal rief ich dem Mann, der behauptete Marcel Heller zu sein vor dem Fernsehapparat zu, er möge endlich aus diesem Körper aussteigen und ihn wieder dem echten Marcel Heller überlassen – zu gut waren die Sprints, zu genau die Flanken und zu überlegt sein Spiel. Aus sicherer Quelle weiß ich aber mittlerweile, dass Hellers Körper in Wirklichkeit nie gekapert wurde, sondern dass er dem Vernehmen nach nur in einen Bottich Zaubertrank gefallen war. Es war der echte Heller im echten Heller, der da in Frankfurt, Darmstadt oder Paderborn so zauberte als hätte es dieses Aachen nie gegeben. Und genau diesen Heller will ich – den Flankengott, die Außenlinien-Rakete, den Vorbereiter, den Beinahe-Nationalspieler. Denn er trainiert in einer Zeit an der Krefelder Straße, in der ein Strohhalm zum Rettungsring wird. Ein bisschen Heller, ein bisschen Hoffnung und ganz vielleicht: ein echtes Husarenstück. Ganz wie bei den alten Herren. 

Diese Kolumne erschien anläßlich des Heimspiels der dabei sieglosen Alemannia gegen Preußen Münster.

Sascha Theisen

STAMMPLATZ-Gründer und Fußball-Romantiker