In den Wehen mit Frau Holtby

Die Alemannia-Kolumne von Torwort-Mutter Sascha Theisen

Artikel veröffentlicht in TORWORT-Senf am 27.11.2020
Erstellt von TORWORT - Die Fußball-Lesung

In den Wehen mit Frau Holtby

Zuletzt fiel mir bei einem Streifzug durch das Internet auf, dass Tobias Feisthammel mit knackigen 32 Jahren in der Verbandsliga spielt, dass Manuel Junglas vereinslos ist und dass David Hohs in der Zweiten von Germania Erfstadt kickt. Warum ich erzähle, was sich für normale Menschen anhört wie der Sack Reis, der in China regelmäßig umfällt? Nun – es ist zu so etwas wie meinem persönlichen Fetisch geworden, ehemalige Alemannia-Spieler zu stalken. Um Missverständnisse zu vermeiden, weil das ja kein richtig schöner Begriff ist: Das Stalken beschränkt sich in diesem Fall fast nur darauf, jeden Montag im Fußball-Fachblatt meines Vertrauens nach Namen wie Garcia, Fejzullahu, Leipertz oder Thiele zu blättern, nur um zu sehen mit welcher Spieltagsnote sie so versehen werden. Diese zugegeben etwas spleenige Angewohnheit führt in vielen Fällen dazu, dass ich bisweilen nicht schlecht staune, wenn zum Beispiel einer wie Rafael Garcia plötzlich die Dritte Liga rockt oder Robert Leipertz eine Spielklasse drüber plötzlich zum Stammspieler bei einem Trainer namens Frank Schmidt avanciert – jenem Schmidt, der um die Jahrtausendwende große Teile seiner Samstagnachmittage damit verbrachte, sich am eigenen Torpfosten abzustützen, um etwas konsterniert in die Ferne der anderen Hälfte zu blicken, wo seine limitierten Gegner ein Auswärtstor am Tivoli feierten. Wohlgemerkt: Ich beobachte diese Jungs alle ohne Groll oder falsche Melancholie. Im Gegenteil: Vielmehr freue ich mich für sie, wenn es bei ihnen läuft – auch wenn es umgekehrt höchst unwahrscheinlich ist, dass sie montags im Kicker gleich nach hinten zur Regionalliga blättern, um nachzuschauen, wie sich Alemannia am Wochenende geschlagen hat. Aber sei´s drum – ihnen das vorzuwerfen, wäre auch ein bisschen arg akribisch.

Doch damit nicht genug gestalkt – das Instagram-Zeitalter ermöglicht ja auch noch viel tiefere Einblicke in das Leben von ehemaligen Weggefährten, die es vom Tivoli aus weiter als in die zweite oder dritte Liga gebracht haben. So bin ich etwa immer auf dem Laufenden, was die Blackburn Rovers gerade so treiben und wie es ihrer Nummer Zehn, Lewis Holtby, gerade so geht. Und immerhin erfährt man in den sozialen Netzwerken so einiges, was über das Spielfeld selbst hinausgeht. So habe ich in der Schwangerschaft von Frau Holtby quasi im Gleichschritt an Gewicht zugelegt und im Grunde jede einzelne Wehe mit ihr durchlebt. Umso schöner, dass die kleine Tochter der Holtbys gesund geboren ist und alle Beteiligten inklusive mir selbst wohlauf sind. So soll das sein – Alemannen halten zusammen, auch wenn der Wehenschreiber unbarmherzig tickt. Man könnte diese Liste übrigens unendlich weiterführen – denn die Aktivitäten der Ex-Alemannen sind nur manchmal so langweilig wie bei Zoltan Stieber, der seinen Followern schon mal eine Kiste Jim Beam mit zwei Gläsern ans Herz legt. Aber wer zum Beispiel mit Erik Meijer auf große Triathlon-Tour gehen möchte – nur zu.

Einer, den ich allerdings in all den nostalgischen Stalking-Aktionen komplett vergessen und aus den Augen verloren hatte, vielleicht weil er so oder so in dem ein oder anderen Live-Kick auftauchte, war der gute alte Onkel Vedad – einst immerhin 27 Mal für Alemannia in der Bundesliga am Ball, der Ersten Bundesliga, das mal ganznebenbei für die Jüngeren unter uns angemerkt. Sechs Mal traf er dabei ins Schwarze und das, obwohl er damals noch nicht ganz so filigran war wie später, als er in Hoffenheim plötzlich begann ein Tor nach dem anderen zu schießen – immerhin 174 (!) bis heute. Seinen Insta-Auftritt scheint er nicht selbst zu pflegen, da er sich in erster Linie mit Fußball beschäftigt und nur ab und an durch ein Wickel-Foto mit dem Neugeborenen thematisch unterbrochen wird. Sein aktuelles Profilbild zeigt ihn im Trikot seines Arbeitgebers in blau und weiß – noch. Denn der Mann, der einst am Tivoli tatsächlich gegen Leverkusen, Dortmund und Stuttgart traf, ist hochkant rausgeflogen bei Tasmania – äh – Schalke 04. Das heißt: Auch wenn er mittlerweile 36 Jahre alt ist, stellt sich die Frage, ob er seit seiner Zeit in Aachen im Jahr nach dem Sommermärchen eigentlich ab und an in Alemannia-Bettwäsche geschlafen hat. Denn ganz vielleicht und mal mit dem Zaunpfahl winkend (Bild unten) in die Tonne gesprochen: Der Mann braucht einen Job! Als ich diese Erkenntnis in diesen Tagen auf Facebook zum Besten gab, schien es mir als elektrisiere der Gedanke die Massen – also wenn man das bei 29 Likes so sagen darf. 29 Likes – ein klarer Auftrag: Herr Hengen übernehmen Sie!

Und wo Sie gerade dabei sind: Schauen Sie doch auch mal bei Tobias Feisthammel vorbei – er spielt in Essingen, irgendwo in der Nähe von Stuttgart. Sollte seine Frau gerade schwanger sein – sagen Sie ihr: Ich atme ihre Wehen weg. Da kenne ich mich aus. 

Diese Kolumne erschien im Tivoli Echo der großartigen Alemannia aus Aachen zum Spiel vor leeren Rängen gegen Rot-Weiss Essen am 28.11.2020.

Sascha Theisen

STAMMPLATZ-Gründer und Fußball-Romantiker